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Sonntag, Mai 11, 2025

Die Anatomie des Unternehmensinsolvenzrechts (Bork & Mangano) – Company Finance Lab


Ein Beitrag von Professor Reinhard Bork

Das moderne Insolvenzrecht hat nichts mehr mit der düsteren Realität zu tun, die in manchen viktorianischen Romanen beschrieben wird, in denen Schuldner zwar nicht einem Insolvenzverfahren, aber einer Gefängnisstrafe auf unbestimmte Zeit ausgesetzt sind. Seitdem ist das Insolvenzrecht jedoch zu einem Thema von außerordentlicher Relevanz und zunehmender intellektueller Faszination geworden.

Einerseits haben Wissenschaftler, Politiker, Gesetzgeber, Richter und Praktiker dieses Rechtsgebiet neu ausgerichtet, um die Rettung notleidender Unternehmen so lange wie möglich zu erleichtern. Andererseits hat diese Entwicklung einige der traditionellsten Kategorien unserer Rechtskultur umgestaltet. So hat dieser neue Deal beispielsweise den Werkzeugkasten der Insolvenzverwalter um eine Vielzahl von Instrumenten erweitert, die die Flexibilität vertraglicher Sanierungen mit der Fähigkeit von Insolvenzverfahren kombinieren, selbst die widerspenstigsten Gläubiger zu binden – wodurch in einigen Fällen die traditionelle Unterscheidung zwischen „Vertrag“ und „Verfahren“ verschwimmt. Dieselbe Tendenz zugunsten der Rettung hat einige Gesetzgeber dazu bewogen, notleidenden Unternehmen zu ermöglichen, von den traditionellen Kriterien abzuweichen, nach denen das Vermögen des Schuldners verteilt werden muss – traditionell galten diese Kriterien als nicht verhandelbar – und sogar einen Meilenstein jedes Gesellschaftsrechts außer Kraft zu setzen, nach dem die Aktionäre eines Unternehmens die Restgläubiger des Unternehmens sind. Eine weitere Konsequenz dieses neuen Ansatzes besteht darin, dass bei Gruppeninsolvenzen die Tendenz besteht, den traditionellen Einzelunternehmensansatz abzuschwächen, wonach für jedes in Schwierigkeiten geratene Unternehmen ein eigenes Insolvenzverfahren durchgeführt werden sollte.

Dieser Befund bezieht sich nicht auf das Insolvenzrecht eines bestimmten Staates, sondern auf die Welt aller Insolvenzrechte als Ganzes. Vor diesem Hintergrund kann es eine reizvolle Aufgabe sein, nicht ein ganz bestimmtes Insolvenzrecht vorzustellen und zu analysieren, sondern eine Gruppe worldwide herausragender Wissenschaftler zu bitten, bestimmte Kernfragen des Insolvenzrechts aus einer übergreifenden, quasi supranationalen Perspektive zu untersuchen. Gemeinsam mit meinem Mitherausgeber Renato ManganoDieser Aufgabe habe ich mich nun im Buch angenommen Die Anatomie des Unternehmensinsolvenzrechts (Oxford College Press 2024).

Dieses Buch konzentriert sich auf das Insolvenzrecht von Unternehmen und zielt darauf ab, zu erklären, was das Insolvenzrecht von Unternehmen ist und wie es funktioniert. Um dieses Ziel zu erreichen, wird das Insolvenzrecht von Unternehmen in seine Hauptbestandteile zerlegt und im Lichte eines vergleichenden und funktionalen Ansatzes analysiert. Diese Wahl der Methode impliziert, dass die Kapitel des Buches keiner bestimmten Gerichtsbarkeit gewidmet sind, sondern sich auf bestimmte Themen konzentrieren, um festzustellen, wie dieselben Probleme in verschiedenen Gerichtsbarkeiten zu unterschiedlichen Lösungen führen können; inwieweit zwei scheinbar unterschiedliche Lösungen tatsächlich voneinander abweichen und umgekehrt, inwieweit zwei scheinbar ähnliche Lösungen tatsächlich zusammenlaufen; und nicht zuletzt, welche der in einer bestimmten Gerichtsbarkeit angenommenen Lösungen es verdienen, in eine andere Gerichtsbarkeit übertragen zu werden und unter welchen Bedingungen diese Rechtsübertragung möglich ist.

Das Buch besteht aus elf Kapiteln, die die wichtigsten Themen des Unternehmensinsolvenzrechts behandeln, nämlich die Natur des Insolvenzrechts, die Definition von Insolvenz, die Umschuldung außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens, formelle Insolvenzverfahren, Sicherungsrechte und Priorität und Rangfolge der Gläubiger, Vermeidung von Transaktionen, Pflichten der Direktoren, Unternehmensgruppen und grenzüberschreitendes Insolvenzrecht. Das Buch behandelt auch die Schnittstellen des Unternehmensinsolvenzrechts mit dem Arbeitsrecht und dem Steuerrecht. Die Kapitel wurden von einem Staff von Spezialisten aus drei Kontinenten verfasst, genauer gesagt aus China, Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien und den USA. In alphabetischer Reihenfolge sind dies die Autoren: Reinhard Bork, Laura Carballo Piñeiro, Edward J. Janger, Günter Kahlert, Shuguang Li, Renato Mangano, Jennifer Payne und Johannes Richter. Sie alle verfolgen mit dieser Veröffentlichung dasselbe Ziel, nämlich ein Verständnis dafür zu schaffen, was die Eckpfeiler des Insolvenzrechts sind, was die verschiedenen Rechtssysteme gemeinsam haben und wie sie sich grundlegend unterscheiden. Dieses Grundverständnis ist nicht nur für eine fruchtbare Diskussion und wissenschaftliche Analyse wichtig, sondern auch für eine effiziente und gewinnbringende Zusammenarbeit in der Insolvenzpraxis über Grenzen hinweg.

Reinhard Bork ist Professor (im Ruhestand) an der Universität Hamburg/DE. Er ist außerdem Gastprofessor an der Radboud-Universität Nijmegen/NL und Senior Analysis Fellow am Business Legislation Centre des Harris Manchester School in Oxford/UK.


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